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Prozesse initiieren

Aktionsraum Lilienfeld 2004

BravDa 2005/1/2

Kunstschaffende übernehmen die Aufgabe, kulturelle Artefakte zu erzeugen und Prozesse zu initiieren, die als Kunst gelten. Oft führt eine Unbegreiflichkeit gegenüber künstlerischer Vorgangsweisen zu einer Distanziertheit, die gegenüber dem Künstler und seinem Tun eingehalten werden will. Durch das Verlagern künstlerischen Arbeitens in den öffentlichen Raum und die Partizipation der Zuschauer am Machen von Kunst können diese Vorgänge erfahrbar gemacht werden und in direkte Beziehung zum Alltag des Publikums treten.
 Ende Juli diesen Sommers treffen in Marktl / Lilienfeld Kunstschaffende unter dem Vorwand „Aktionsraum Lilienfeld“ zusammen. Hier stellt sich eine gute Bereitschaft zur Realisierung dieses temporären Kunstprojekts ein: Marktl ist das „Arbeiterdorf“ der Bezirkshauptstadt Lilienfeld. 1880 gingen neben den Fabriksanlagen die gesamten Wohnhäuser und Grundstücke aus den Oesterleinschen Besitzungen an die Wiener Eisenhändler Neuman über. Diese Gebäude prägen bis heute das Ortsbild. Die Firma Fried v. Neuman Aluminiumwerke GmbH läuft heute unter der von Cornelius Grupp gegründeten CAG und ist der größte Arbeitgeber im Bezirk. Im Rahmen des von Grupp gegründeten „Forum Marktl“ arbeiten seit 1981 immer wieder Künstler in den Werkshallen der Firma. Dem „Aktionsraum Lilienfeld“ stellt Grupp Infrastruktur zur Verfügung, den firmeneigenen, neu adaptierten Stadel als Arbeitsraum. Der langjährige Mitarbeiter der Firma und Betreuer des „Forum Marktl“ Alfred Filek ist es, der – für unkonventionelle kulturelle Tätigkeit immer ein offenes Ohr habend – als unentbehrlicher Vermittler zwischen Geschäftsleitung, Belegschaft und Künstlern agiert und der ständig um verschiedenste Anliegen der Künstler bemüht ist. Auch der Kulturzuständige der Bezirkshauptstadt Gerhard Gansch findet Gefallen an der Idee „Aktionsraum“. Er dürfte dieses Vorhaben dem Gemeinderat gut verkauft haben. Die Stadtgemeinde übernimmt den Kostenaufwand für die Bewerbung des Kunstprojekts. Letztlich ist die Umsetzung des „Aktionsraums“ dem Financier „NÖ Kulturforum“ zu verdanken. 
Die künstlerische Arbeit der Initiative besteht nun darin, im Stadel über einen Zeitraum von drei Wochen einen provisorischen Atelier- und Gesellschaftsraum einzurichten. Der Wiener Objektkünstler und Weltenbummler Oswald Stimm, der St. Pöltner J. F. Sochurek, der Eschenauer Walter Neumaier, der Traisner Herbert Kraus und Marianne Plaimer als Initiatorin des „Aktionsraums“ verlagern die Werkstätten hierher. Interieur, einige zusammengestellte Sofas und Heurigenbänke, - die Radiomusik wird ohnehin meist übertönt vom Maschinenlärm – laden Besucher ein zum Verweilen. Es herrscht anregende Arbeits- und Gesprächsatmosphäre. Gleichzeitig entsteht ein äußerst sensibles Terrain als sozialer Treffpunkt, Aufenthaltsort, Austausch- und Diskussionsort.
 Was sind nun die Anliegen dieses Unternehmens? Vordergründig sollen traditionelle Erwartungshaltungen des passiven Ausstellungsbetrachters untergraben werden. Anstelle des sterilen Ausstellungsraums tritt der dreckige, laute Arbeitsbereich, anstelle des Kunstwerks der arbeitende Künstler, nicht Distanz, sondern Greifbarkeit wird evoziert. „Aktionsraum Lilienfeld“ ist strukturiert durch seinen experimentellen Charakter und durch Offenheit – den ständigen Austausch zwischen Kunst/Künstler und Umgebung/Publikum. Die Initiative distanziert sich von erstarrten Definitionen von Kultur – Kultur ist nichts Äußerliches, nicht wird man in Beschäftigung damit zu einem überlegenen Menschen. Hier geht es nicht um etablierte Kunst und Kultur, auch nicht um „Namedropping“, vielmehr kennen die mitwirkenden Künstler als teils Ortsansässige diese Region und reagieren mit ihrer Kunst.
  Großteils arbeiten die Künstler mit den von der Firma Neuman zur Verfügung gestellten Materialien – Aluminium aller Verarbeitungsvarianten und Produktionsstufen - und nutzen so die Gelegenheit orts- und situationsspezifisch zu agieren, den Betrieb kennenzulernen und den Umgang mit der Belegschaft. Neugierige schauen vorbei, verweilen, suchen das Gespräch mit den Künstlern und kommen immer wieder. Andere schauen vorbei, um lieber doch nicht mehr zu kommen. Der Sache wird hier Bewunderung entgegengebracht, dort ein Kopfschütteln, und immer wieder werden ästhetische Fragestellungen diskutiert und Fragen der Nützlichkeit bzw. Verwendbarkeit des Entstandenen. Eine großartige Hilfsbereitschaft stellt sich während der Vorbereitungen für die Abschlusspräsentation ein. Die Feuerwehr kümmert sich um die Inbetriebnahme des vorhandenen Barbereiches. Freiwillige helfen bei der Reinigung des Stadels und beim Umbau für die Ausstellung. Die Inhaberin eines Imbissstandes in Traisen organisiert einen Hilfstrupp und wartet ein grandioses Buffet auf. Danke dafür! 
„Aktionsraum Lilienfeld“ hat funktioniert als Bezugsraum, der Haltungen und Reaktionen der Künstler gleichermaßen wie der Beobachter erlaubte und provozierte. Anfragen wie: „Wird es die Künstlerwerkstätte nächsten Sommer wieder geben?“, motivieren. Die Abschlusspräsentation der hier entstandenen künstlerischen Arbeiten war ein Fest – und bekanntlich soll man Feste feiern wie sie fallen.